Analyse
Großer Preis von Aserbaidschan
Zu viele Fehler und Unfälle: “Crash-Kid” Mick Schumacher kämpft um seine Karriere
“Crash-Kid” Mick Schumacher hat seinen Boliden in Monaco gleich in zwei Teile zerlegt
© Christian Bruna / DPA
Mick Schumacher fährt bisher eine enttäuschende Saison. Ein starker Teamkollege und die gesteigerte Erwartungshaltung machen ihm offenbar zu schaffen. In den nächsten Wochen entscheidet sich, ob der 23-Jährige endgültig in der Formel 1 ankommen wird.
Als Mick Schumacher vor anderthalb Jahren für den Formel-1-Rennstall Haas in der Formel 1 debütierte, waren die Erwartungen riesig. Aber jeder, der sich mit diesem Sport auskannte, wusste natürlich, dass der gewaltige Medienhype nicht viel mit der Realität zu tun hatte. Mit gerade mal 22 Jahren saß der Sohn des Siebenfach-Weltmeisters Michael Schumacher im langsamsten Auto der Rennserie. Auf kleine Achtungserfolge durfte man hoffen, Platz 15 statt 18, den Teamkollegen schlagen, ein gelungenes Überholmanöver – solche Dinge.
Mittlerweile hat sich der Wind gedreht und bläst dem jungen Schumacher hart ins Gesicht. Genoss er in der vergangenen Saison Welpenschutz, melden sich mittlerweile erste Kritiker zu Wort und sprechen ihm das Talent für die Formel 1 ab. Nun sind Urteile wie das der deutschen Rallye-Legende Walter Röhrl (“Nicht das überragende Talent, das sein Vater hatte”) nicht der Maßstab, und schon gar nicht in der geschwätzigen Formel 1.
Mick Schumachers Bilanz ist bescheiden
Doch in sechs Rennen (eines setzte er aus) hat der stets freundlich und professionell auftretende Schumacher kaum Werbung in eigener Sache betrieben. Fehler, Unfälle und ein ernstzunehmender Konkurrent im eigenen Team machen dem 23-Jährigen schwer zu schaffen. Vor dem Großen Preis von Aserbaidschan in Baku erhöhte Teamchef Günther Steiner den öffentlichen Druck: “So kann es unmöglich weitergehen”, ließ der Südtiroler wissen. Wenn Schumacher Punkte holen wolle, dürfe er nicht in die Mauern fahren. “Das weiß er auch. Wenn er irgendwo in eine Mauer fährt, ist das ja auch nicht gesund”, sagte Steiner mit dem ihm eigenen Humor.
Schumachers Vorgesetzter spielte damit auf die zwei heftigen Unfälle seines Piloten an. Den ersten baute Schumacher im Qualifying zum zweiten Saisonrennen in Saudi-Arabien. Mit über 200 Stundenkilometern schlug sein Bolide in die Mauer ein. Er hatte Glück, dass sich das Auto drehte und seitlich aufprallte. Dennoch musste Schumacher auf ärztlichen Rat das Rennen aussetzen. Den zweiten Crash fabrizierte er in Monaco, als er im Rennen an einer nassen Stelle die Kontrolle verlor und ebenfalls in der Streckenbegrenzung landete. In beiden Fällen schrottete er das Auto komplett und verursachte hohe Extrakosten für das Team. Auf dem Stadtkurs in Miami kollidierte er mit Sebastian Vettel, beendete aber immerhin das Rennen.
In seiner ersten Saison hatte sich Schumacher leichter getan. Er zeigte die Leistungen, die man erwarten konnte angesichts der Umstände. Seinen damaligen Teamkollegen, den Russen Nikita Masepin, hatte er im Griff. Der mittelmäßig talentierte Oligarchen-Sohn war nur wegen des Geldes seines Vaters in die Formel gelangt. Nach der russischen Invasion in die Ukraine beendete Haas die Zusammenarbeit mit Masepin und engagierte einen seiner früheren Piloten, den Dänen Kevin Magnussen.
Magnussen ist im Qualifying schneller
Sportlich ist Magnussen für den Rennstall ein Gewinn – und ein Problem für den jungen Schumacher. Der Däne hat die Qualifyings, wo es auf eine schnelle Runde ankommt, mit 4:2 für sich entschieden. Im Rennen steht es zwar bislang 3:2 (Ausfälle mit eingerechnet) für Schumacher, aber Magnussen fuhr bereits zwei Mal in die Top Ten und ergatterte für das Team 15 wichtige Punkte, während Schumacher weiter auf den ersten WM-Zähler seiner jungen Karriere wartet und in der Fahrerwertung Vorletzter ist. Sein bestes Ergebnis erzielte er mit dem 11. Platz im ersten Rennen in Bahrain.
Ein weiteres Problem, das dem jungen Fahrer offenbar zu schaffen macht, ist die gesteigerte Erwartungshaltung. Sie ist nicht nur größer, weil Schumacher seine zweite Saison fährt, sondern weil sein Haas-Auto schneller ist. Wären die Ergebnisse bislang nicht so mäßig ausgefallen, stünde das US-Team in der Konstrukteurs-Wertung besser da. Im Moment belegt es unter zehn Teams einen enttäuschenden achten Platz. Das wirkt sich finanziell aus. Jeder gewonnene Punkt spült mehr Geld in die Kasse des kleinen Teams.
Über die Gründe für die Crashfahrten und die mäßigen Leistungen kann man viel spekulieren. Ist es tatsächlich zu wenig Talent oder muss Schumacher erst lernen, mit dem gesteigerten Druck umzugehen? Will der Sohn des Über-Fahrers Michael Schumacher es allen beweisen und muss zwangsläufig scheitern? Eindeutige Antworten gibt es nicht. Was feststeht: Im Qualifying in Dschidda riskierte er zu viel, weil er sich dem Teamkollegen Magnussen nicht geschlagen geben wollte. Er fuhr über die Streckenbegrenzung und verlor die Kontrolle über das Auto. Ein klarer Fahrfehler. Der Unfall in Monaco hingegen kann jedem passieren, erschwerend kam hinzu, dass es geregnet hatte. Der spätere Sieger, Red-Bull-Pilot Sergio Perez, baute im Qualifying einen Tag zuvor ebenfalls einen Unfall auf dem engen Stadtkurs. Und in Barcelona war es die Renn-Strategie, die eine bessere Platzierung Schumachers verhinderte.
Auf die Aussagen von Teamchef Steiner reagierte Schumacher äußerlich gelassen. “Vielleicht hilft das auch manchmal dabei, schneller zu werden.” Er bemühe sich, den Druck für sich zu nutzen. “Das motiviert mich und gibt dem Ganzen eine andere Dynamik”, sagte Schumacher. Er weiß genau, dass die nächsten Wochen einen entscheidenden Einfluss auf seine weitere Karriere haben werden. Ausgang offen.