Der Bundestag hat am Freitag die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion, dagegen votierten Union und AfD. Der Paragraf untersagte Arztpraxen und Kliniken, ausführlich darüber zu informieren, welche unterschiedlichen Methoden es für den Abbruch gibt.
Auf das Ende des Paragrafen hatten sich die Ampelparteien im Koalitionsvertrag geeinigt. „Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB“, heißt es darin. SPD, Grüne und FDP bekennen sich außerdem dazu, Schwangerschaftsabbruch zum Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung und zum Teil einer „verlässlichen Gesundheitsversorgung zu machen“.
Die Debatte um den Paragrafen – das eigentliche Abtreibungsverbot steht im Schwesterparagrafen 218 des Strafgesetzbuchs – hatte 2017 begonnen, als die Gießener Ärztin Kristina Hänel sich vor Gericht gegen einen Strafbefehl wehrte, weil sie auf ihrer Website darüber informierte, dass sie Abbrüche anbot.
Viele Anzeigen von Abtreibungsgegner:innen
Ihr folgten Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls von dem Verbot betroffen waren; einige hatten schon viele Bußgelder deswegen einstecken müssen, wenn Abtreibungsgegner:innen, die sich selbst als Lebensschützer verstehen, sie wegen Verstoß gegen § 219a anzeigten.
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Kristina Hänel zeigte sich am Vortag der entscheidenden Sitzung erleichtert: „Wenn der Regierungsentwurf verabschiedet wird, ist ein wichtiger Schritt zur Informationsfreiheit für Betroffene beim Schwangerschaftsabbruch getan“, schrieb sie in einer Erklärung. „Ich freue mich, dass der unsägliche Paragraf, der viel Unheil angerichtet hat, damit der Geschichte angehören wird.“
Er habe es möglich gemacht, dass unter der falschen Bezeichnung „Werbung“ seriöse Information verboten wurde, während „jegliche unqualifizierte und irreführende Äußerung von Nicht-Fachleuten“ erlaubt gewesen sei – was Abtreibungsgegner:innen ausgiebig genutzt hätten, um betroffene Frauen noch mehr zu belasten.
Ärztin sieht weitere Defizite
Hänel mahnte zugleich die Erfüllung der weiteren Versprechen der Ampel an: „Defizite in Ausbildung, Forschung und Lehre müssen aufgeholt werden; Beratungsstellen und durchführende Einrichtungen müssen vor sogenannter „Gehsteigbelästigung“ geschützt werden sowie vor Einschüchterungen, Drohungen und unzulässigen Holocaustvergleichen; das Versorgungsangebot sowohl ambulant als auch stationär muss sichergestellt werden; die Übernahme der Kosten für die Prävention sowie für die Behandlungen beim Schwangerschaftsabbruch, falls die Prävention versagt hat, muss sichergestellt werden; die laut WHO eingeforderte Aufhebung der Beratungspflicht und der vorgeschriebenen Bedenkzeit muss zugunsten einer freiwilligen Beratung erfolgen“, so Hänel in ihrer Erklärung. Sie verfolgte die Debatte von der Besuchertribüne des Bundestags aus.
Aussagen zum seit mehr als 150 Jahren umkämpften Mutterparagrafen 218 enthält der Koalitionsvertrag nicht. Ärzt:innenverbände wie „Doctors for Choice“ fordern erneut dessen Abschaffung. Leonie Kühn, Gynäkologin und Mitgründerin der Vereinigung, sagte im Frühjahr dem Tagesspiegel, der 219a sei lediglich „Teil eines Problems, das viel tiefer geht“. Es gehe um die Kriminalisierung von Abtreibung insgesamt.
Sie führe dazu, „dass Abbrüche tabuisiert und stigmatisiert werden, in der Gesellschaft wie in der medizinischen Ausbildung – wer will denn etwas lehren, was im Strafgesetzbuch steht?“ Auch für ungewollt Schwangere sei es „schockierend, dass ihr Wunsch nach einem Abbruch kriminell sein soll“.