Albanese löst mit seiner Partei die bisher regierende liberal-konservative Koalition ab, die fast ein Jahrzehnt im Amt war.
(Foto: IMAGO/AAP)
Bangkok Heftige Waldbrände und zerstörerische Überschwemmungen haben Australien in den vergangenen Jahren die Wucht des Klimawandels vor Augen geführt. Nun verspricht der Gewinner der australischen Parlamentswahl, Anthony Albanese, einen klimapolitischen Neuanfang.
Er wolle sein Land zu einer „Supermacht der erneuerbaren Energien“ machen, versprach der Chef der sozialdemokratischen Labor-Partei in einer Rede am Wochenende, nachdem ihm der scheidende Premierminister Scott Morrison zum Sieg gratuliert hatte.
Albanese löst mit seiner Partei die bisher regierende liberal-konservative Koalition ab, die fast ein Jahrzehnt im Amt war. Nach jüngsten Hochrechnung wird Labor mit mehr als 70 Sitzen klar stärkste Kraft. Für eine absolute Mehrheit sind 76 Sitze nötig. Albanese wird deshalb unter Umständen auf Unterstützung von Abgeordneten der Grünen oder einer Gruppe von Parteilosen angewiesen sein.
Kandidatinnen der Bewegung „blaugrüne Unabhängige“ („Teal Independents“) war es mit der Forderung nach einer ambitionierteren Klimapolitik in mehreren üblicherweise konservativen Wahlkreisen gelungen, Abgeordnetenmandate zu erringen.
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Der Gründer der Aktivistengruppe Climate 200, Simon Holmes à Court, wertete das Ergebnis als starkes Signal: Die Wahl habe gezeigt, dass ein beträchtlicher Teil der Australier die Nase voll habe von „neun Jahren Versagen in der Klimapolitik“. Climate 200 hatte umgerechnet rund acht Millionen Euro bei Spendern eingeworben, um damit die Wahlkampagnen klimafreundlicher Kandidaten zu unterstützen.
Albanese will Klimaziele nachschärfen
Australien gehört zu den größten Kohleexporteuren der Welt und bezieht – trotz eines großen Potenzials bei erneuerbaren Energien – den Großteil seines eigenen Bedarfs aus fossilen Energieträgern. Im internationalen Vergleich gehört das Land zu den größten Klimasündern: Nur wenige Länder haben einen höheren Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid als Australien. Der Wert lag nach Daten der Weltbank zuletzt bei 15,5 Tonnen im Jahr – 80 Prozent höher als in Deutschland.
Australien gehört zu den größten Kohleexporteuren der Welt.
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Die bisher von der Regierung zugesagten Klimaziele werten Aktivisten als nicht ambitioniert genug. Nach den aktuellen Plänen will Australien seine Emissionen bis 2030 um bis zu 28 Prozent unter das Niveau von 2005 senken. Zum Vergleich: Die Europäische Union und die USA wollen ihren Ausstoß von Treibhausgasen im gleichen Zeitraum mehr als halbieren.
Albaneses Labor-Partei versprach im Wahlkampf, die Klimazusagen nachzuschärfen und will bis 2030 nun eine Reduktion um 43 Prozent erreichen. Unter anderem plant Labor, umgerechnet rund 13 Milliarden Euro in die Strominfrastruktur zu investieren, um einen signifikanten Ausbau der erneuerbaren Energien zu ermöglichen.
An dem Kohlebergbau als Schlüsselindustrie will aber auch Albanese festhalten. Wenn Unternehmen in dem Bereich weitere Investitionen tätigen wollten, würde Labor die dadurch entstehenden Jobs willkommen heißen, sagte Albanese.
Morrison von der rechtskonservativen Koalition wird von Albanese als Regierungschef abgelöst.
(Foto: Getty Images)
Neben der Klimapolitik hatte Albanese soziale Fragen in den Fokus seiner Kampagne gestellt. Er beklage stark steigende Lebenshaltungskosten und einen Rückgang der Reallöhne infolge der hohen Inflationsrate. Sie lag zuletzt mit 5,1 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten in Australien.
Albanese forderte einen Inflationsausgleich für alle Mindestlohnbezieher, die aktuell umgerechnet 13,50 Euro pro Stunde erhalten. Er betonte auch seine eigene Herkunft aus einfachen Verhältnissen – und wies darauf erneut in seiner Siegesansprache hin: „Es sagt viel über unser großartiges Land aus, dass ein in einer Sozialwohnung aufgewachsener Sohn einer alleinerziehenden Mutter heute als Australiens Premierminister vor Ihnen stehen kann.“
Treffen mit Joe Biden am Dienstag
Albanese ist studierter Volkswirt und das erste Mitglied seiner Familie mit Universitätsabschluss. Als Abgeordneter ist der 59-Jährige seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Australiens Parlament vertreten. Unter den Labor-Regierungschefs Kevin Rudd und Julia Gillard war er Minister für Infrastruktur und Verkehr.
Im vergangenen Jahr erlitt er bei einem Autounfall schwere Verletzungen und überlebte nach eigenen Angaben nur knapp. Den Vorfall beschrieb Albanese als Auslöser für seinen Versuch gesünder zu leben – 18 Kilo nahm er seither ab. Auch sonst änderte er sein öffentliches Auftreten: Er besorgte sich Maßanzüge und eine moderne Brille. Sein Kontrahent Morrison warf ihm vor, so zu tun, als sei er ein anderer Mensch.
Für den Rollenwechsel vom Oppositionsführer zum Regierungschef bleibt Albanese nun nicht viel Zeit. Der Labor-Chef rechnet damit, bereits am Montag als neuer Premierminister vereidigt zu werden.
Er will dann am Dienstag an einem Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden, Japans Regierungschef Fumio Kishida und Indiens Premier Narendra Modi in Tokio teilnehmen. Bei dem Treffen der sogenannten Quad-Gruppe wolle er auf internationaler Bühne deutlich machen, dass sich Australiens Politik ändern werde, sagte Albanese, „insbesondere hinsichtlich des Klimawandels“.
Aufmerksam beobachtet wird auch, wie sich Australien unter dem neuen Premier gegenüber China positioniert. Das Verhältnis der beiden Länder hatte sich unter Morrison stark verschlechtert. In der Substanz der China-Politik unterscheide sich Labor zwar kaum von der Vorgängerregierung, kommentierte Patrick Köllner, Direktor des Hamburger Giga-Instituts für Asien-Studien. „Aber der Ton könnte ein anderer werden.“ Der Regierungswechsel biete grundsätzlich das Potenzial für eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen.
Mehr: China-Phobie im Wahlkampf – Australiens Konservative warnen vor einem Krieg